Eine tolle Grenzregion, eine lange langweilige Fahrt und ein Platz im Wald
Wow, das ist ja mal eine sensationelle Grenze. Der Douro markiert den Grenzverlauf zwischen Portugal und Spanien.
Über eine hohe Staubrücke fahren wir hinüber. Adios, geliebtes Portugal.
In der Grenzregion ungefähr bis Ricobayo ist Spanien noch absolut fantastisch. Kleine Dörfer, Berge, Granitfelsen, Schluchten, Seen… Die Energie ist eine andere als in Portugal, aber es ist noch ähnlich. Normalerweise würde ich das Gebiet erkunden wollen und mir das mal ne Woche oder zwei ansehen. Aber ich bin ja auf der Rück- und Durchreise. Es muß auch noch was für die nächste Reise übrig bleiben.
Danach folgen hunderte von Kilometern plattes Land. Riesige landwirtschaftliche Flächen. Monokultur. Immerhin gut, um einfach nur zu fahren. Kein Impuls mehr, zu verweilen. Die Strecke ist frei und meist als Schnellstraße ausgebaut. Eine gute, langweilige Reiseroute.
Über Zamora, Valladolid – wieder mal so eine typische spanische Hochhauskulisse – Burgos und Vitoria-Gasteig geht es einmal quer durchs Land Richtung Atlantikküste und französische Grenze. Der letzte Teil der Strecke wird dann noch mal richtig bergig. Viel sehe ich davon allerdings nicht. Ein Tunnel reiht sich an den nächsten. Zwischendurch erhasche ich mal kurz einen Blick auf eine Bergwand und das jeweilige Tal, aber es regnet in Strömen, ich muß mich auf den Verkehr und die Straße konzentrieren. Und schon bin ich wieder im nächsten Tunnel.
Eigentlich wollte ich durchfahren bis Hondarribia, direkt an der französischen Grenze. Knapp 500 km liegen schon hinter mir. Ich merke, daß die Konzentration stark nachläßt. Schluß für heute. Gassigang und Schlafplatzsuche.
Der nächste Ort ist Zumaia. Zwischen Bilbao und San Sebastian an der Küste. Hier gibt es einen Womostellplatz im Hafen. Mal schauen.
Puh, warum müssen spanische Städte eigentlich immer so laut und voller Hochhauswohnblocks sein?
Mir gefällt es hier überhaupt nicht. Auf der Hinreise war mir das in den spanischen Städten zwar auch schon negativ aufgefallen, aber jetzt, aus den beschaulichen Dörfern und Kleinstädten Portugals kommend – halte ich das nicht aus.
Auch der Stellplatz im Hafen kommt gar nicht in Frage. Ein einzelnes Womo steht da, ansonsten nur laute und grobe Werftatmosphäre.
Wenn ich eins gelernt habe auf dieser Reise, dann auf mein Gefühl und meine Intuition zu hören. Spätestens seit der Lektion in Ronda. Finley zuliebe spazieren wir noch etwas Gassi. Aber es ist klar, dann suche ich einen anderen Platz.
Ich verstehe hier kein Wort auf den Schildern. Meist nicht mal zweisprachig, sondern nur baskisch.
Was für ein ungewöhnliches, heterogenes Land ist Spanien. Am Beginn der Reise die Zeit in Esponella, Katalonien und jetzt hier ein kurzer Zwischenstop im Baskenland. Ich spüre hier viel Fremdheit und Abgrenzung, wenig Vertrauen und Harmonie. Das ist nicht meine bevorzugte Energie hier, auch wenn es am Meer noch mal ganz schön ist.
Zum Glück gibt es die geniale App Park4night, wo Camper, vor allem die überall mit dem Womo präsenten Franzosen, gute Schlafplätze markieren und beschreiben. Es muß doch noch was anderes hier in der Nähe geben als den doofen Stellplatz im Hafen.
Hmmmm, ein Picknickplatz im Naturschutzgebiet. Das klingt doch vielversprechend.
Ein Parkplatz mitten im Wald. Ganz allein. Sowas habe ich bisher nicht gemacht, aber mein Gefühl sagt eindeutig „guter Platz“. Die Luft ist traumhaft, klar, würzig, etwas feucht. Nur die Geräusche des Waldes und seine sanfte Energie. Genau richtig nach der langen, anstrengenden Fahrt. Die Tiere spüren die gleiche Erleichterung über den sanften, schützenden Platz.
Am nächsten Morgen werden wir vom erwachenden Wald geweckt. Hintertür auf und purer Naturgenuß mit allen Sinnen. Missy und ich sehen Rehe direkt vor uns am Waldrand. Zauberhaft. Wir sind beide sprachlos. Das sind die echt coolen Momente des Womolebens. Pures Glück. Danke.
Missy hat ja schon vieles erlebt auf unserer Reise, aber mitten im Wald war sie bisher noch nicht. Sie tastet sich vorsichtig vom Parkplatz zum Waldrand vor. Immer wieder angeregt schnuppernd. Ich hoffe, sie geht nicht zu weit rein und verläuft sich nicht. Aber Missy ist cool. Sie reagiert sofort auf mein „Vorsicht“ und steuert wieder etwas zurück näher zu Balthasar. Wir haben zu einer unglaublich guten Verständigung auf dieser Reise gefunden.
Ich bin echt froh, diesen Platz gefunden zu haben und das Wagnis, hier allein frei zu stehen, eingegangen zu sein. Eine Nacht im Wald ist ein tolles Erlebnis. Das hatte uns echt noch gefehlt auf der Reise.
Wir verbringen fast den ganzen Tag hier im Wald. Weiterfahrt kann warten. Diesen Ort kosten wir voll aus. Spaziergang, langes Frühstück, später eine schöne Wanderung.
Überall kleine Wasserläufe.
Der Weg führt hoch und bietet schöne Aussichten.
Es gibt in Abständen immer wieder gut ausgebaute Picknickplätze mit Tischen, Bänken, Grills und Brunnen.
Als wir zurück zu „unserem“ Picknickplatz kommen, sind wir nicht mehr allein. Eine spanische Familie nutzt den Grill, um riesige Fleischmengen zu grillen. Herzlich werde ich eingeladen. Da kann ich meine Spanischkenntnisse doch noch anwenden. Sie lassen mich nicht gehen, ohne eine große Tüte Knochen für Finley. Ablehnung und Hinweis auf den Zustand von Zähnen und Magen des alten Hundes werden nicht akzeptiert. Finley tut sein übriges, er schmeichelt, bettelt, schaut ganz erbarmungswürdig und ist deutlich begeistert von der spanischen Familie und der Knochentüte. Na gut, dann nehme ich das eben mit. Ein oder zwei Knochen für Finley und der Rest wird dezent entsorgt.
Eine schöne Verzögerung unserer Rückreise war der heutige Tag. Die Sonne geht schon unter.
Weit fahren wir nicht mehr. Ein kleiner Sprung noch. Ca. 50 km. Raus aus Spanien, hinüber nach Frankreich. St-Jean-de-Luz
Damit sind wir auf dem kürzesten Weg durch Spanien durchgefahren.