Korkeichen, Störche, lila Wiesen
Am Morgen war ich noch kurz in Estremoz bummeln und einkaufen, aber zum Frühstück fahre ich raus aus der Stadt. Ich hatte
Missy und Finley ja einen schönen Rumstromerplatz versprochen. Und auch mir steht der Sinn nach einem Picknick in der Natur.
Wir fahren an unendlich vielen Storchennestern vorbei. Manchmal kilometerweit auf jedem Strommast ein Nest.
Das Gebiet an der Grenze zu Spanien, wo ich mich ja schon einige Wochen aufhalte, heißt Alentejo. Alles was hinter dem Fluß Tejo liegt. Baixa Alentejo im südlichen Bereich bis hinunter zur Algarve und Alto Alentejo im nördlichen.
Geprägt von Landwirtschaft, kleinen weißen Dörfern. Festungen. Weite und Ruhe.
Überall sieht man Korkeichen. Meine Lieblingsbäume. Sie brauchen viel Raum und Licht. Man kann sie nicht eng pflanzen. Und sie brauchen Zeit. Nach 25 Jahren wird ihnen erstmals die Korkrinde genommen. Vorsichtig von Hand, um den Baum nicht unnötig zu verletzen und in seiner Substanz zu gefährden. 8 -12 Jahre dauert es, bis wieder eine neue Korkschicht vollständig nachgewachsen ist und erneut abgenommen wird.
Über 50 % der weltweiten Korkproduktion kommt aus Portugal. Einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes.
Anspruchslose, zähe Bäume, die sowohl das Entrinden als auch Dürre und die verheerenden Waldbrände überstehen. Eine Korkeiche kann über 400 Jahre alt werden. Wenn ihr mehrmals die Rinde genommen wird, verkürzt sich ihre Lebenszeit um die Hälfte. Andererseits werden für die Korkproduktion eben nicht immer mehr und schneller wachsende Bäume angebaut und getötet, wie in anderen Bereichen der Forstwirtschaft.
Ich gehe den größten Teil des Jahres auf Korksohlen. Da nutze ich gerne die Gelegenheit, den Bäumen hier zu begegnen und mich bei ihnen zu bedanken
Ich hatte auf der Karte einen potentiellen Picknickplatz bei Vieros an einem Stausee entdeckt. Etwa 15 km von Estremoz. Aber ich verfahre mich. Keine Ahnung, wie ich zu dem Stausee komme. Die schmale, einspurige Straße, auf der ich fahre, führt geradeaus und geradeaus und geradeaus. Ohne Möglichkeit abzubiegen oder zu wenden. Nach einer gefühlten Ewigkeit endlich eine Kreuzung. Ich gebe die Suche nach dem See auf und fahre links, in der Hoffnung zurück zur Hauptstraße zu finden.
Und dann bin ich plötzlich so dankbar für den Umweg. Vor mir breitet sich ein fantastisches Farbenspiel aus.
Die Wiesen leuchten in der Mittagssonne in allen Farben. Ich kann mich nicht sattsehen. Werde immer langsamer. Rolle schließlich im Schneckentempo daher. Stört hier niemanden. Kein Auto begegnet mir.
Und es wird immer schöner.
Dort drüben leuchten die Wiesen tieflila.
Meine Güte, ist das schön.
Wie Lavendelfelder, aber das sind ganz normale Wiesenblumen. Allein durch die Fülle entsteht ihr Farbenteppich.
Danke für den Umweg. Hier will ich bleiben. Hier machen wir Siesta.
Direkt hinter den Blumenwiesen liegt das kleine Dorf Pazeres. Am Ortseingang ist der ideale Siestaplatz für uns drei.
Na, Finley und Missy, einverstanden mit einer laaaaaangen Pause in der Natur?
Hmmm, die Antwort ist eindeutig!
Das sind die ungeheuer kostbaren Stunden auf dieser Reise. Wir sind vollkommen zufrieden und im Einklang.
Raum und Zeit für die Schönheit der Natur. Raum und Zeit für uns und unser Dasein. Das ist Glück.
In der goldenen Sonne gehen wir am späten Nachmittag Gassi. Mitten auf der schnurgerade Straße. Wir sind allein. Kein Motorengeräusch. Nur die Geräusche der Natur. Das Lied des Windes.
Ein alter Baum ruft uns. Es tut so gut ihn zu spüren. An seinem Stamm gelehnt zu sitzen. Geben und Nehmen.
Ein kurzer Gang durchs Dörfchen. Einfache kleine Häuser aufgereiht an der Straße, die durchs Dorf führt und zugleich die einzige Straße des Dorfes ist.
Hinter der Kirche steht das öffentliche Waschhaus. Becken mit steinernen Waschbrettern. Da stehen Waschmittel, Lappen, Eimer. Offensichtlich ist das Waschhaus noch in Benutzung, wird hier noch immer Wäsche per Hand gewaschen.
Erst nach Sonnenuntergang fahren wir weiter. Im Dunkeln kommen wir in Portalegre an. Eigentlich eiserne Regel: rechtzeitig einen Freistehplatz suchen, nie im Dunkeln einen Schlafplatz suchen.
Portalegre ist größer als erwartet. Sehr städtisch. Ich fühle mich unwohl. Ronda hat mich gelehrt, noch mehr auf meinen Instinkt zu vertrauen und auf mein Gefühl zu hören. Obwohl es schon spät ist, fahren wir weiter. Ins kleinere beschauliche Castelo de Vide. Hier finde ich einen ruhigen, beleuchteten Parkplatz, wo ich nichts Negatives spüre.
Ich schlafe ein in tiefer Dankbarkeit für diesen schönen Reisetag.