Ein fantastischer Picknickplatz als Ausgangspunkt für eine kraftvolle Wanderung in der Natur.
Zerschlagen werde ich morgens wach. Der Schreck aus der Nacht steckt mir in den Knochen. Ich spüre einen klaren Impuls: Raus aus der Stadt. Weg von Menschenmengen. Hin zur Ruhe und Weite der Natur.
Erdung, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, ist nötig.
Wir stehen nicht nur vorm Friedhof, sondern auch vor der städtischen Hundewiese in Ronda. Ein kleines eingezäuntes Gelände mit Bäumen, Agilitygeräten und einer Pfütze. Prima, dachte ich. Kurzer geschützter, leinenfreier Auslauf für Finley. Der ist jedoch ganz anderer Meinung. Steht nur hinter dem Eingangstor und will wieder raus. Wir spüren offenbar beide den Impuls hinaus in die Weite und Freiheit.
Ich weiß auch schon genau, wo der richtige Ort für uns ist. Gestern abend auf dem Weg der gesperrten Straßen als Lispel-Katrin mich mal wieder in die Irre sandte, habe ich aus den Augenwinkeln einen wunderbaren Rastplatz gesehen.
Noch eben Großeinkauf und dann eine halbe Stunde Fahrt bis dorthin zum Frühstück im Freien.
Ich kenne wohl auch eine Katze, die nach 2 Tagen im Auto und einer anstrengenden Nachtwache genau wie wir beide Auslauf in der Natur braucht.
Hab ich mir doch gedacht, daß der Platz gut ist für Missy.
Wir atmen alle 3 auf und durch. Das tut so gut. Das wichtigste ist, daß wir zusammen sind.
Langes, langes Frühstück. Beide Tiere suchen Nähe. Oder spüren, daß ich Nähe brauche.
Die Aussicht weitet mich innerlich wieder.
Angst macht eng. Vertrauen braucht Weite und sicheren Boden. Ich spüre, es war genau richtig, den Weg hier hinaus in die Schönheit von Mutter Erde zu suchen. Damit sich der Ring, der sich in der Nacht um meine Brust gelegt hat, wieder lösen darf.
Finley löst das, was ihm im Magen liegt, auf seine Art.
Fertig, Finley? Okay, dann schauen wir mal, wo der Weg hinführt.
Das sind manchmal die schönsten Wanderungen, wenn man einfach losgeht.
Offen für das, was sich zeigt. Z.B. ein Abbruchhaus in morbider Ästhetik, das trotzdem wohl nur schwer einen Käufer finden wird…
Zu gehen, im Vertrauen darauf, daß das Wetter hält und uns kein plötzlicher Regenguß überrascht, im Vertrauen darauf, daß der Weg sich findet, ist zwar etwas naiv, aber für mich in diesem Moment ganz wichtig.
Die Vollendung und den Zauber im Großen, aber auch im Kleinen wahrzunehmen.
Blumen betrachten. Es rührt mich immer wieder, wie unfaßbar anmutig der Anblick von Blüten unter Bäumen ist.
Wir sind lange ruhig und in Frieden unterwegs. Jeder auf seine Art in Kontakt und Kommunikation mit der Natur und den Wesenheiten.
Nach einem ziemlichen Anstieg haben wir einen großartigen Ausblick.
Der Weg führt hoffentlich zurück zum Rastplatz. Mein Orientierungssinn und googlemaps glauben, wir sind auf dem richtigen, wenn auch ziemlich schlammigen Weg.
Prima. Müde und zufrieden sind wir wieder bei Missy. Was denkt Ihr Beiden? Noch ein zweites Frühstück am Nachmittag? Ich sehe Pfoten hoch und Zustimmung in 4 Augen. Uns geht es echt gut. Ich bin dankbar.
Es ist genial, daß wir auf dieser Erde jederzeit die Möglichkeit haben, in der Natur unsere Kraft und Stabilität wiederzufinden. Uns beruhigen und nähren zu lassen. Im Alltag vergessen wir das allzu leicht oder sind in andere Abläufe eingebunden. Es ist ein großartiges Geschenk, daß ich in diesem Jahr jederzeit dem Impuls folgen darf, wenn ich spüre, daß ich aus einem bestimmten Ort oder Zusammenhang hinaustreten möchte und eine andere Umgebung brauche.
Was meint Ihr beiden, bleiben wir noch einige Tage in der Stille und Weite der Berge? Soll ich uns einen ruhigen, sicheren Ort in der Abgeschiedenheit suchen? Ein Campingplatz wäre mal wieder gut. Ich mag im Moment nicht schon wieder frei stehen Ich schau mal in den ASCI-Führer. Hmmm, ca 1 Stunde von hier in Olvera. Das sieht gut aus. Ein Anruf klärt, es gibt genügend Platz dort. Kommt, das machen wir. Ich bringe uns dorthin.
Aber was ist mit den gesperrten Straßen? Navi-Katrin kennt sich ja nicht aus.
Genau in dem Moment hält ein spanischer Gemüsehändler mit seiner Frau am Rastplatz an. Er ist sehr hilfsbereit, spricht schnell und viel Spanisch. Ich verstehe nur einzelne Brocken. Mit meinem Straßenatlas kommt er nicht zurecht. Ich glaube, er kann nicht gut lesen. Seine Frau signalisiert mir, daß sie auch nicht helfen kann, da sie taubstumm ist und sowieso ihr Mann alles für sie regelt. Der ist nicht bereit, mich ohne Wegbeschreibung zurückzulassen. Er kann gar nicht glauben, daß ich als Frau ganz allein den weiten Weg von Allemania… Er bietet mir an, mich in sein Dörfchen zu geleiten. Da will ich aber ja nicht hin. Es ist mir schon reichlich unangenehm, daß er zunehmend verzweifelt, weil ich seine Erklärungen einfach nicht verstehe.
Da fällt dem alten Gemüsehändler was ein! Er hat doch einen Bekannten in Alemania! Hurtig hat er das Handy gezückt, palavert auf Spanisch und drückt mir dann einen unwirschen André ans Ohr, den er offenbar gerade auf seiner Arbeit in Deutschland gestört hat. Aber André kennt die Gegend, versteht den Gemüsehändler, schmeißt in Deutschland im Büro den Routenplaner an und erklärt mir, daß nur die Straße über Setinel nach Olvera frei ist und wie ich zu dieser einzig möglichen Straße komme.
Wow, was für eine Aktion. Der Gemüsehändler strahlt. Seine Frau auch. Und die beiden ziehen zufrieden weiter.
Danke.
Ich mache mich auch auf den Weg. Nach ca. einer halben Stunde im Dörfchen Montecorto frage ich noch mal einen Bauarbeiter, ob ich auch wirklich auf dem Weg nach Setinel und Olvera bin. „Sie sind deutsch? Moment!“ Ich soll auf keinen Fall weiterfahren signalisiert er mir und verschwindet schnellen Schrittes in die nächste Dorfgasse. Hä? Warum? Bin ich nicht auf dem richtigen Weg? Und warum geht er einfach weg?
Was soll ich denn jetzt machen? Weiterfahren? Zurück? Sonst ist niemand zu sehen.
Nach einigen Minuten kommt er mit einer – seiner – Frau im Schlepptau schnellen Schrittes zurück. Sie ist Deutsche und soll übersetzen. Und was jetzt kommt, ist noch mal genauso rührend wie die Hilfsbereitschaft des Gemüsehändlers. Ganz genau wollen die beiden mir den besten Weg erklären. Es regnet inzwischen wieder stark. Einige Varianten sind wohl gefährlich oder schwieriger zu bewältigen. Mit meinem Straßenatlas setzen sich die beiden unter das Dach der Bushaltestelle und zeichnen auf der letzten Seite geduldig eine ausführliche Wegbeschreibung mit allen guten und schlechten Straßen, die sie demonstrativ durchstreichen. Und zu guter Letzt lassen sie mich nicht fahren, ohne mir ihre Handynummer zu geben, falls ich unterwegs noch Fragen habe, mich verfahre oder Hilfe brauche.
Danke.
Im Verlauf des Weges begreife ich das Ausmaß und die Auswirkungen des heftigen Regens der vergangenen Tage. Und auch warum so viele Straßen gesperrt sind. Überall Schlammberge am Straßenrand. Hier ist offenbar schon tüchtig gearbeitet worden, damit wenigstens diese Straße wieder frei ist.
Ich bin froh, als wir endlich in Olvera ankommen. Es stürmt und regnet. Der Campingplatz liegt allein auf einem Berg ca. 5 km hinter Olvera. Er ist fast leer, so daß ich uns eine etwas windgeschützten Stelle aussuchen kann. Abends mummeln wir uns behaglich ein in dem Gefühl einen guten Platz gefunden zu haben und sicher zu stehen.
Liebe Eva, was bin ich froh, dass du in der Natur nach der schlimmen Nacht wieder ins Lot gekommen bist. Und was es für unglaubliche Zufälle und hilfsbereite Menschen gibt!
Deine Fototableaux sind schön und gleichzeitig informativ.
Weiterhin gute Fahrt!
Gabi
Liebe Eva,
nach zwei erschreckenden kreuzen am nächsten Tag direkt doppelt so viele helfende Menschen deinen Weg … hier kommt es an wie ein Trösten, ein Versichern, dass für dich gesorgt wird …
Was für eine wunderbare Reise!
Chris