Ronda

Mistwetter. Berühmte Brücke. Weiße Stadt. Gesperrte Straßen. Schreck in der Nacht.

Ich entscheide mich gegen den Weg über Gibraltar an der Küste entlang nach Portugal.  Stattdessen durchs Landesinnere mit einer Zwischenstation in Ronda.

Der Weg dahin führt über Berge und durch Mistwetter. Noch an der Küste geht es immer wieder weit hinauf. Wir fahren bis Malaga parallel zum Meer, aber weit oben über atemberaubende Brücken und immer wieder Kurven, Steigungen, Tunnel.

Finley hechelt und zittert die ganze Zeit. Ich hab keine Ahnung, was mit ihm los ist. Durst? Ausscheidungsnot? Angst? Druck auf den Ohren? Wind und Regen? Er ist unruhig, setzt sich immer wieder um, kann sich nicht entspannen.

Wir sind noch nicht weit gefahren. Aber was kann man machen. Muß also eine Pause her. Der nächste Ort ist Rincon de la Victoria. Nicht besonders schön. Hochhäuser. Lange Einkaufsstraße. Boulevard. Nichts stimmungsvolles.  Aber vielleicht fehlt auch einfach die Sonne. Es ist kalt und grau.

Finley macht auf dem Spaziergang einen ganz normalen, etwas trägen, aber interessierten Eindruck. Scheint ihm zumindest nicht wirklich schlecht zu gehen.

Richtig lebhaft wird er sobald es Richtung Gastronomie geht. Die kleinen Restaurants am Boulevard sind alle geöffnet und gut besucht in der Mittagszeit.

Viele Fischspezialitäten. Am Strand werden Sardinen gegrillt. So ein  ganz kleines Hüngerchen hätte ich ja. Eine kleine Portion Paella. Günstig, aber lieblos gemacht und leider nicht lecker. Schade.

Nach der ungeplanten Stippvisite in Rincon de la Victoria fahren wir bald von der Küste ab ins Hinterland. Keine Ahnung, ob es hier schön ist. Ich sehe nichts vor lauter Regen. Und selbst wenn, ich kann die Konzentration bei dem Wetter nicht von der Straße abwenden. Höchstens noch hochhorchen zu meinem schon wieder zischendem und pfeifenden Dachfenster. Einmal geht es noch auf unterwegs und ich muß wieder kleben.

Spätabends komme ich in Ronda an. Es regnet noch immer in Strömen. Ich finde keinen guten Platz.

Unter Pueblo blanco hatte ich mir was kleineres dörfliches vorgestellt. Ronda ist eine Großstadt. War vielleicht etwas naiv von mir. Aber jetzt bin ich nun mal hier.

Balthasar geparkt und mit Finley zu Fuß auf die Suche nach einem Standplatz gegangen. Völlig durchnäßt kommen wir zurück, ohne wirklich fündig geworden zu sein. Immerhin eine Straße im Wohngebiet, wo einige freie Parkplätze am Straßenrand sind und von wo das Stadtzentrum morgen vormittag fußläufig erreichbar sein wird. Das wird es dann wohl werden für die Nacht. Es ist spät. Ich bin zu erschöpft, müde und nass. Ich suche nicht mehr weiter.

Am nächsten Morgen wollte ich nur eben mit Finley Gassi und dann Brot holen. Es wird stattdessen eine stundenlange Stadtbesichtigung.

Zu schön ist es hier. Wenn es auch immer noch regnet.

Kleine Parks.

Herrlich diese Kieselpflasterung der Wege. Teils mit schönen Mosaiken.

Beeindruckende Schinken. Finleys Favorit unter den Besichtigungspunkten in Ronda.

Die Stadt zieht sich in mehreren Parallelstraßen längs immer weiter Richtung Brücke. Das Wahrzeichen schlechthin von Ronda, das die neueren Stadtteile mit der maurische Altstadt verbindet. Wenn wir schon fast da sind, können wir auch noch eben bis dorthin laufen, Finley, und dann geht’s zurück und gibt Frühstück, okay? Tja, was soll der arme Hund da schon sagen?

Wirklich die Brücke ist fantastisch.

Tief unten tobt der vom Dauerregen angeschwollene Fluß.

Ein kurzer Blick noch rüber in die Altstadt, dann wollte ich aber ganz bestimmt zurück.

Nur noch eben zu diesem Aussichtspunkt.

Wow! Ich bekomme eine Vorstellung, wie hoch die Stadt auf den Felsen thront.

Ganz kurz einen Blick in die Stierkampfarena werfen. Kann ich ja nicht besichtigen mit Hund. Doch, signalisiert mir der Mitarbeiter an der Kasse. Hund erlaubt. Supi, das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Komm, Finley.

Meine Meinung zu Tierkämpfen u.ä. ist ja klar. Geht gar nicht. Tierkampf ist für mich keine Kultur, sondern verabscheuenswürdige unnötige Tierquälerei.

Ich gehe durch die Gänge, durch die die Tiere in die Arena getrieben werden, sehe die engen gemauerten Verließe für die Stiere, die Zeichen von Streß und Angst und Druck an den Türen dieser winzigen Tierkammern.

Aber die Arena hat trotzdem einen ganz eigenen Reiz. Es ist unbestritten ein faszinierendes Gebäude. Ich kann mich der Symetrie und Anmut nicht entziehen. Aber eben für einen anderen Zweck bitte. Konzerte. Theater…

Die Treppen verziert mit lieblichen Fliesen. Idyllische Motive von lebensfrohen kraftvollen Stieren und gelockten Jünglingen mit Tötungs- und Verletzungswillen. Puh.

Im Museum wird wunderbare Handwerkskunst gezeigt. Goldbestickte Pferdesättel, verzierte Uniformen, schön geschnitzte Gewehrläufe. Ich kann die Kunst des Handwerkers sehen und achten. Aber es bleibt Dekoration und Inszenierung unnötiger Tierquälerei. Auch ein schön verziertes Gewehr bleibt ein Gewehr.

Jetzt aber zurück zu Balthasar und Missy. Frühstück am späten Nachmittag und dann fahren wir weiter Richtung Portugal.

Wir sind spät dran. Mal schauen, wie weit wir heute noch kommen.

Nicht weit gar nicht weit.

Nach ca. 20 km ist die Straße gesperrt. Keine Umleitung ausgeschildert. Meine süße lispelnde Navi-Katrin fragt „neu berechnen?“. Ja bitte. Sie führt mich durch die Berge.  Auf einer engen kurvenreichen Straße mit herrlichen Ausblicken. Aber langsam wird es dunkel und wir sind noch nicht weit gekommen. Na super. Nach gefühlten Stunden durch die Bergwelt führt Katrin mich wieder zu der gleichen gesperrten Straße.

Ich versuch’s per gutem alten Straßenatlas. Wenn ich dieser Straße am See folge… Mist, auch gesperrt.  Was soll ich tun?

Ich fahre wieder zurück nach Ronda. In der Straße von gestern sind wieder einige Parkplätze frei. Obwohl ich mich nicht wohl fühle, bleibe ich hier. Mir fällt nichts besseres ein.

Finley muß sowieso noch mal Gassi, dann schauen wir uns Ronda am Abend an.

Sehr stimmungsvoll. Und jetzt ganz ruhig. Die Tagestouristen sind weg.

Das Highlight – die beleuchtete Brücke.

Total k.o. kommen wir zurück zu Balthasar und legen uns schlafen. Obwohl es am Straßenrand immer ein bißchen unruhig ist, schlafe ich sofort ein.

Mitten in der Nacht werde ich von einem Geräusch wach. Husten. Leise Stimmen, ein Schlag an der Hintertür. Kurz denke ich ein Betrunkener. Dann realisiere ich erst, daß sich da jemand an der Tür zu schaffen macht. Zwei, drei Schrecksekunde bis ich begreife. Da versucht gerade jemand mein Wohnmobil aufzubrechen, während wir drinnen schlafen.

Gefahr!

Ich bin hellwach.  Mein Herz klopft. Ich hab entsetzliche Angst!

Was tun? Ich überlege gar nicht. Reagiere nur. Innerhalb von Sekunden sitze ich am Steuer. Als ich die Verdunkelung öffne, sehe ich neben mir einen Pkw mit laufendem Motor stehen. Sie sind zu zweit. Ein Mann kommt hinter Balthasar hervor und steigt eilig zu seinem Kumpan in den Pkw. Der fährt rückwärts aus der Straße, ich vorwärts in die entgegengesetzte Richtung.

Fahren, fahren, bloß nicht anhalten. Ich hab Angst. Völlig irrational. Es ist mehr als unwahrscheinlich, daß die mich verfolgen. Ich weiß das. Ich hab trotzdem Angst.

Wo kann ich hin? Wo ist ein sicherer Platz, um durchzuschnaufen? Mich zu beruhigen? Auszusteigen und zu kontrollieren, ob an der Tür was kaputt ist. Ich kann nicht nachts aus Ronda raus in die Berge fahren. Nicht in diesem Zustand. Friedhof. Ok. Da ist es ruhig. Da gibt es Platz. Er ist in einem Gewerbegebiet. Auch nicht ideal. Aber ich kann auch nicht weiter sinnlos in der nächtlichen Stadt rumfahren. Nach einiger Zeit traue ich mich raus und laufe um Balthasar. Sieht alles unversehrt aus. Gut.

Lange liege ich wach. Horche in die Nacht. Blicke immer wieder kontrollierend durch den Rollospalt hinaus in die Nacht.

Missy tut es mir gleich. Sie weiß genau, was los ist. Sitzt mit gespitzten Öhrchen und angespanntem Körper vor der Hintertür. Wir verständigen uns mit Blicken. Beide wachsam.

Finley schläft. So wie er den ganzen Aufbruchversuch verschlafen hat.

Für Missy und mich wird es eine sehr lange schlaflose Nacht. Erst im Morgengrauen nicke ich ein.

 

 

 

 
l

 

 

 

Ein Gedanke zu „Ronda“

  1. Liebe Eva,

    „wenn einer eine Reise macht….“. Ich bin froh, dass Du die nächtlichen Besucher unbeschadet überstanden hast und ich wünsche Dir, dass Du Dein Vertrauen ganz bald wieder findest. Auch beim Lesen stockt einem kurzfristig der Atem…

    Diese Brücke ist atemberaubend und schwer beeindruckend.

    Ich wünsche Euch eine sichere Weiterfahrt und beschützte Plätze :-).

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