Saintes-Maries-de-la-mer

Sehnsuchtsort. Weiße Stadt am Meer in der Camargue.

Wieder so ein „300-Worte-bilden-in-Frankreich-einen-Ortsnamen-Ort“ wie eine liebe Freundin das ausdrückte 😂.

Der Name Saintes-Maries-de-la-mer schwingt seit Kinderzeiten in mir. Seit der alten Kinderserie „Mond, Mond, Mond“. Die Geschichte der beiden Romamädchen, die ihre Sippe verloren haben und sich quer durch Europa durchschlagen, weil sie hoffen, sie zur Wallfahrt der heiligen Sara in Saintes-Maries-de-la-mer wiederzufinden, habe ich jeden Sonntagnachmittag im ZDF verfolgt. Die Serie hatte eine eigenartige Melancholie. Diese Urangst, verloren zu gehen, hat mich tief berührt und beschäftigt mich immer wieder mal.

Also ist ja klar, daß ich nach Saintes-Maries-de-la-mer fahre. Zumal die Camarque ja auch sehr speziell sein soll. Ich bin neugierig.

Der erste Teil der Strecke von Six-Fours-les-Plages bis Aubagne ist fantastisch. Am Berghang entlang mit weitem Blick aufs Meer und die grüne Ebene.

Danach hab ich einmal zu spät reagiert und den Abzweig verpaßt, den das Navi angesagt hat. Und was macht meine zuckersüß lispelnde Navigatorin Katrin daraufhin? Sie führt mich mitten durch Marseille! Manno, das hat mich Nerven gekostet! Ich war heilfroh, als ich aus dem Verkehrschaos wieder raus war.

Die Gegend um Marseille ist fürchterlich. Es ist erschreckend, daß Menschen in solchen unmenschlichen Hochhausghettos leben müssen.

Danach führte die Strecke bei heftigem Wind direkt am Meer entlang. Manchmal auch mittendurch. Überall Industrie, Tanker und Raffinerien.

Kurz vor Arles geht es endlich links ab. Und es wird sofort weit und ruhig. Alles verändert sich. Die Camarque.  Ein bißchen wie Holland. Flach. Man blickt weit. Das Land von Gräben durchzogen und Seen. Schilf, Sumpf, und unberührte Natur.  Freilaufende halbwilde Pferde und Stiere. Man fährt ca. 30 km durch diese Weite bis man die ersten weißen Häuser von Saintes-Maries-de-la-mer sieht.

Der Ort hat einen ganz eigenen Zauber. Die Häuser sind niedrig. Die Stadt ist übersichtlich und beschaulich.

Im Zentrum ein Denkmal für die berühmten Pferde der Camargue.

Nur wenige Spaziergänger sind auf der langen Uferpromenade unterwegs. Weiße Häuser, blaue Fensterläden, blaues Geländer der Promenade und blauer Himmel. Das sieht schon klasse aus.

Es gibt auch einige Nachbauten der urtümlichen kleinen Bauernkaten.

Allgegenwärtig ist in Saintes-Maries-de-la-mer das Kreuz der Camargue. Man findet es an vielen Häusern. Seine Bedeutung ist Glaube, Liebe, Hoffnung. Ja, darauf kommt es im Leben an. 

Überall im Ort hängen Schilder „Vorsicht Pferde und Stiere auf der Straße“. Vor der Arena stehen mächtige Stierstandbilder.

Der Stierkampf hat eine große Tradition in der Camargue. Der Stier wird dabei nicht getötet oder verletzt, sondern der Torero versucht ihm ein Band zu entreißen. Es ist ein Messen der Geschicklichkeit und Schnelligkeit von Mensch und Tier. Trotzdem ist Stierkampf nicht meins. Ich mag es nicht, wenn Tiere dem Menschen zum Spektakel dienen und vor allem nicht, wenn damit verbunden ist, daß sie in Angst und Streß versetzt und in die Enge getrieben werden. Dann ist es mir auch wurscht, ob man dem Stier Hochachtung entgegenbringt. In Ruhe lassen wäre mir lieber.

Da gefällt mir schon eher die Plakatkunst. Ich besuche einen Sammler und Händler, der mir ausführlich die Besonderheiten erklärt und seltene Exemplare zeigt. Viele bekannte Maler haben Ankündigungsplakate für Stierkämpfe gestaltet: Goya, Dali, Picasso…

Auch das Warensortiment in der Stadt ist geprägt von der Reiter- und Stierhütertradition. Cowboystiefel und Sättel.

Aber Saintes-Maries-de-la-mer ist auch ein Fischerort mit einem kleinen Hafen.

In erster Linie aber ist heutzutage der Tourismus wichtig für Saintes-Maries-de-la-mer. Und die Touristen kommen abgesehen vom Naturerlebnis Camargue und dem hübschen Ortskern vor allem wegen der fantastischen Lage am Strand.

Wir verbringen sehr schöne Tage in Saintes-Maries-de-la-mer.

Der Campingplatz ist groß, gut organisiert und sauber. Die Tiere haben genug Freiraum und fühlen sich wohl.

Vor allem hat der Campingplatz direkten Ausgang zum Strand. Wir unternehmen lange Strandspaziergänge. Niemand stört sich hier an den Hunden. Eigentlich sind fast nur Hundehalter unterwegs. Ansonsten ist es den Franzosen noch viiiieeel zu kalt für einen Strandbesuch. Die kommen wohl erst, wenn man baden kann. Mir soll recht sein. Dann gibt’s keinen Ärger wegen Hund am Strand.

Finley genießt das so sehr. Er rennt manchmal wieder und will spielen und läßt sich von mir jagen. Er holt sogar freudig ein Stöckchen. Es ist soooo schön, ihn mal wieder so leicht und lebhaft zu sehen.

Er sucht gezielt Kontakt zu anderen Rüden, um ein Stück mit ihnen zu rennen. „Hups, wer kommt denn da? Der sieht ja fast so aus wie ich?“ Stimmt, sieht so aus als hätten sie einige gemeinsame Vorfahren.

Während die Hunde sich miteinander beschäftigen, finde ich schöne Muscheln.

An der Promenade kann sich dann ein alter vom Strandlauf erschöpfter Hund auch schon mal unaufmerksam an einer Laterne verwickeln. „Finley, anders rum“. Achsooo.

Unweit des Strandes gibt es die obligatorische Kinderbelustigung.

Die Anzahl der Restaurants läßt vermuten, daß hier im Sommer ganz schön was los ist. Da ist für jeden Geschmack und Geldbeutel was dabei. Aber aktuell haben nur wenige Restaurants am Abend geöffnet.

Und dann ist Saintes-Maries-de-la-mer eben auch ein berühmter Wallfahrtsort.

Die Kirche wirkt wie eine Festung mit ihren Zinnen.

Verehrt werden in erster Linie zwar die zwei Maries, nach denen der Ort benannt ist. Aber eines der größten Pilgerfeste findet alljährlich zu Ehren der heiligen Sara statt. Es gibt verschiedene Theorien, wer sie war. Sie ist keine belegte historische Figur. Meist wird sie als Dienerin der beiden Marien genannt. Ich vermute, das hat auch einen rassistischen Hintergrund, daß von einer dunklen Hautfarbe früher sehr schnell auf eine Dienertätigkeit geschlossen wurde. Heute gibt es mehrere unterschiedliche Theorien, bis zu der, daß sie Symbol eines vorchristlichen Kultes war, der wie so vieles nach der Christianisierung kurzerhand umgedeutet wurde.

Jedenfalls ist Sara das Ziel der großen Romawallfahrt, denn sie ist Schutzpatronin der Reisenden. Die Wallfahrtsfeiern dauern eine Woche. Saintes-Maries-de-la-mer ist dann überfüllt mit Wohnwagen. Es ist ein wichtiger Treffpunkt der Familien. Deswegen waren ja auch die zwei Mädchen in der Kinderserie nach Saintes-Maries-de-la-mer unterwegs. Viele Romakinder werden dann hier getauft.

Während die beiden Maries oben in der Kirche dargestellt sind, und auch ihre Reliquien dort gezeigt werden, hat Sara ihren Platz unterhalb in der Krypta. Dort steht sie als lebensgroße dunkelhäutige Puppe mit vielen bunten Tüchern und Ketten behängt. Sehr eigentümlich.

Heilige Sara, ich bitte um Schutz und Segen für unsere Reise und für die Reisen meiner Freunde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert