Mal ganz was anderes: Waldenergie
Zwei Tage Fahrt durchs Landesinnere für knapp 200 km. Das ist doch für meine Verhältnisse mal ein guter Schnitt. 😂
Natürlich wollte ich dafür nur 1 Tag benötigen.
Aber dann war da zuerst dieser tolle Picknickplatz in den Bergen.
Missy genießt es, daß wir hier ganz allein sind und sie mal nach Herzenslust rumstromern kann.
Ich gönne ihr das nur zu gerne. Dann bleiben wir eben etwas länger als für unsere Rast eigentlich nötig wäre.
Es ist wichtig, daß auch Missys Bedürfnisse auf unserer Reise ausreichend berücksichtigt werden.
Und Missy weiß nichts von Fahrtlängen, Reisedauer und Ankommen. Die ist hier und jetzt. Und guckt sich mal die Berge an.
Solange man die Berge noch sieht. Denn nach einiger Zeit steigt von überall aus den Tälern Nebel auf und hüllt die Berge irgendwann ganz ein.
Fasziniert betrachte ich dieses Naturschauspiel. Bis mir irgendwann einfällt: Nebel, Berge, Autofahren – ist keine allzugute Kombination.
„Missy komm schnell rein, wir fahren weiter“.
Die Strecke ist kurvenreich. Wir kommen nur langsam voran.
Und ständig strömt diese feuchte, würzige Waldluft durchs geöffnete Fenster und kitzelt meine Nase.
Hmmm, so richtig intensive Waldenergie hatten wir lange, lange nicht mehr.
„Finley, Du mußt doch sowieso Gassi, oder? Was hälst du von einer kleinen Wanderung?“
Was für ein Gegensatz, dieses Kühle, Dunkle, Herbe, Würzige, Geheimnisvolle nach den warmen, lichten, leichten Strandtagen.
Was für ein Geschenk auf dieser Reise andauernd von einer kraftvollen Energie in die nächste wechseln und eintauchen zu dürfen.
Sich von der Energie des Wassers und des Lichts, der Erde und der Bäume nähren zu lassen.
All die kleinen wundersamen Mitgeschöpfe wahrzunehmen.
Großartige Mutter Erde.
Ja und dann war plötzlich Abend. Und wir waren noch kaum 50 km gefahren. Ein bißchen weiter fahren wir noch und dann suche ich uns einen Schlafplatz.
Hmmm, gar nicht so einfach in den engen Dörfern in den Bergen. Da sind Parkplätze Mangelware. Und ich mag jetzt im Dunkeln nicht mehr in irgendwelche Wege reinfahren in der Hoffnung auf einen guten Freistehplatz. Jaja, ich weiß, oberste Regel: Immer im Hellen einen guten Stellplatz suchen…
Oliveira de Frades ist der erste größere Ort, wo es genügend Parkplätze gibt. Wir schlafen direkt an einem kleinen Park in der Stadt. Bißchen unruhig zwar, aber ok.
Am Morgen spazieren Finley und ich kurz durchs Städtchen und kaufen Brot. Kein Grund länger hierzubleiben. Der Ort ist eher nichtssagend gesichtslos.
Kurz überlege ich, mich noch mal mit Joelle zu treffen. Sie ist nur ca. 120 km südlich in Pinhel bei Guarda. Sie schwärmt mir vor von den Felsen und dem Fluß. Ich schwanke. Es wäre schon toll, noch mal ein oder zwei Tage gemeinsam zu verbringen… Aber dann entscheide ich mich doch für die nördliche Richtung. Ich möchte mir noch das Dourotal ansehen, bevor ich Portugal verlassen muß.
Auch heute zwingt mich die Schönheit der Landschaft immer wieder zu Zwischenstops.
Der Weg führt über enge kurvige Straßen, über alte einspurige Brücken. Durch viele, viele Dörfer, die nur aus einer Handvoll Häuser am Wegesrand bestehen. Oft kommt 50 m und 3 Häuser nach dem Ortseingangsschild schon wieder das Ortsausgangsschild. 3 Häuser, eine Kapelle und ein Café – das ist ein Dorf.
Viel Arbeit in der Landwirtschaft muß hier noch von Hand verrichtet werden. Anders sind die den Bergen abgerungenen, terrassenförmigen Felder nicht zu beackern.
Mit wieviel Mühe dieses wunderbare Land kultiviert wird.
Unterwegs begegnet uns auch eine Schafherde am Wegesrand.
Manchmal macht Navi-Katrin echt seltsame Sachen. Nicht nur, daß sie so süß lispelt, ständig rechts und links verwechselt und mich teils über große Umwege oder durch enge Gassen führt (obwohl ich vorsichtshalber Balthasar im Navi als Lkw bezeichnet habe, damit ich über einigermaßen breite und gut ausgebaute Straßen fahre).
Manchmal sind Navi-Katrins Ideen zwar ungewöhnlich, aber toll. Auf dem Weg ins Dourotal führt sie mich in Lamego mitten über die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt. Die berühmte Treppe, die hinaufführt zur Kirche Nossa Senhora dos Remedios.
Supi Katrin. Danke, gute Idee. Dann kann ich mir die Treppe auch noch flott ansehen.
Immerhin kommen wir heute mal im Hellen an unserem Zielort an. Dem Stellplatz in Peso da Regua. Herrlich gelegen direkt am Douro. Gerade recht für ein abendliches Bad des alten Hundes.