Herzensbegegnung in Utrera.
Ich verlasse Olvera bei strömendem Regen. Weiter Richtung Portugal. Durch sattgrüne Berglandschaft. Wenn die Sonne scheinen würde, wäre ich versucht, hinter jeder Biegung anzuhalten. Das andalusische Hinterland ist ungeheuer reizvoll. Aber ich bin ja auf meinem Weg.
Nach ca. einer 3/4 Stunde Fahrtzeit weitet sich die Landschaft, wird flacher. Große landwirtschaftliche Felder. Kleine Städte, die sich nicht mehr steil einem Berghang hinauf ziehen, sondern kreisförmig und eben angeordnet sind.
Wir passieren Sevilla. Die Umgehungsstraße führt über eine spektakuläre, mehrere Kilometer lange, steil ansteigende Brücke, die das gesamte Hafengebiet überspannt und zumindest aus den Augenwinkeln einen tollen Ausblick auf die Stadt ermöglicht.
Finley wird unruhig. Sobald wir die Großstadt hinter uns gelassen haben, machen wir irgendwo Pause, Finley, versprochen. Die Sonne brennt inzwischen. Herrlichstes Pausewetter. Utrera ist der nächste Ort. Ok, dann also Utrera.
Eine gar nicht so kleine Stadt. Ich lese später, neuntgrößte Stadt in Andalusien. Ich fühle mich sofort wohl. Es ist immer wieder interessant zu spüren, was geschieht, wenn man in Resonanz mit einem Ort geht.
Wir schlendern durch die Stadt. Ich nehme wahr: wenig Autogeräusche, viel Kinderspiel, viel Kommunikation. Geselligkeit und Beschaulichkeit kommen mir in den Sinn. Sicherheit. Die Stadt ist sehr sauber und gepflegt.
Es gibt viele kleine hübsche Plätze mit Bäumen und Bänken. Überall sitzen und stehen Menschen zusammen. Plätze sind so wichtig.
Mich drängt es durch die schmalen Staßen zu einer riesigen Kirche. Groß wie ein Dom, mitten im Zentrum. Ich spüre, daß es wichtig ist, dorthin zu gehen.
Angekommen fällt mein Blick sofort auf ein Bild und eine Inschrift auf der Kirchenfassade. Es zieht mich an:“Esto dice el Señor Dios: Mira, que yo enviaré mi angel, que te guie y te guarde en el viaje…“
Ich weiß, was dort geschrieben steht, aber ich möchte gerne eine Übersetzung. Also frage ich vor der Bar, ob jemand Englisch oder Deutsch spricht und kurz mit mir zur Kirche gehen könnte. Manolo ist sofort bereit. Seine Übersetzung bestätigt mein Wissen: „So sprach Gott: Siehe, ich schicke Dir meinen Engel, damit er Dich führe und schütze auf Deiner Reise“.
Ich spüre die Resonanz der Worte in mir. Da ist es wieder, das tiefe Vertrauen, beschützt und behütet zu sein, daß durch den Aufbruchversuch in Ronda erschüttert worden war. Und Manolo spürt das auch. Er umarmt mich und sagt: „Komm mit zu mir und meinen Freunden. Sei unser Gast. Fühl dich Zuhause. Please come with me an join us, eat and drink with us. This is your home.“
Was für ein liebes Angebot. Ein Segen. Ich nehme gerne an.
Seine Freunde sind genauso offen und herzlich. Ein wunderbarer Austausch. Viel Lachen und Wärme. Wir sind uns einig: Es geht um Vertrauen und daß die Liebe zwischen den Menschen fließt.
Die drei scheinen gut eingebunden in die Stadtgemeinschaft zu sein. Immer wieder gesellen sich weitere Freunde und Bekannte zu uns. Was für ein Geschenk, in dieser Runde sein zu dürfen. Manolo ist gerade erst von einem mehrmonatigen Arbeitsaufenthalt in Österreich zurück. Obwohl studierter Architekt, hat er dort während der Wintersaison in der Gastronomie gearbeitet. Es ist noch immer nicht leicht in Spanien. Immer wieder kommen Leute zu unserem Tisch, umarmen ihn und heißen ihn wieder willommen zuhause. Es ist eine Freude, das zu beobachten.
Bis in den Abend bleiben wir zusammen. Ich werde noch liebevoll zurück zu Balthasar begleitet und winkend verabschiedet.
Erfüllt und leicht fahre ich weiter.
Aber nicht mehr bis Portugal. Es ist spät geworden. Kurz vor der Grenze in Isla Cristina ist ein Campingplatz in der Nähe eines langen Sandstrandes. Das paßt doch gut.