Obidos

Obidos ist noch immer eine der schönsten portugiesischen Städte, aber seeeeehr touristisch.

Ich wollte gemütlich durchs kleine, alte Städtchen schlendern.

Aber schon auf den großen Parkplätzen vorm Ortseingang beschleicht mich der Verdacht, daß ich nicht als einzige diese Idee hatte.

Obidos hat eine riesige Auswahl an Souvenirgeschäften. Alle mit einem anderen Schwerpunkt, teilweise außergewöhnlich gutes Kunsthandwerk.

Schöne Handarbeiten. Auch selbstgemachte Marmeladen und viele andere Delikatessen. Hier lohnt sich das Geschäft.

Obidos hat eine ähnliche Struktur und Größe wie Marvao. Aber was für ein Unterschied hier im Gegensatz zur Stille auf dem Berg. Die Lage an der dicht bevölkerten Westküste, die gute Erreichbarkeit, macht Obidos zum idealen Ausflugsziel.

Und der Massentourismus hinterlässt dann auch seine Spuren.

Tausende von Fingern streichen über das leuchtende Blau der Sockel und verewigen sich mit der sich lösenden Farbe auf den weißen Hausfassaden.

Das habe ich bisher noch nirgends so gesehen. Die Respektlosigkeit  erschreckt mich. Hier findet sich keine große Streetart. Nur einfachste Symbole, Namen, Initialen, Daten.

Natürlich hat Obidos wie jede portugiesische Stadt, die was auf sich hält, ein Castelo. Und eine komplett begehbare Stadtmauer. Ganz schön eigentlich.

Aber auch am Castelo gibt es gruselige Zeichen des Kommerzes. Im Innenhof stehen überall Bretterbuden wie auf einem Weihnachtsmarkt. Und skurrile Figuren, die mich an Alice aus dem Wunderland erinnern. Riesenhasen…

Nix wie weg, dachte ich. Wir waren schon auf dem Weg zurück zum Parkplatz. Der aber plötzlich fast autofrei war. Hmmm, die fahren also alle am frühen Abend nachhause. Reisebusse sind auch keine mehr da. Wunderschön frei steht das Aquädukt am Rande des großen Parkplatzes.

Hmmmm, Finley, vielleicht entsteht ja doch noch Raum und Stille.

Städte wie diese darf man echt nicht tagsüber besichtigen. Und nicht am Wochenende oder in den Ferien, sondern antizyklisch, wenn die anderen Tagestouristen wieder weg sind.

Dann wollen wir es noch mal versuchen.  Komm Finley, es geht wieder rein durchs Stadttor.

Im Torbogen ist eine Nische mit sehr alten blauen Azulejos ausgekleidet. Darunter sitzt ein Akkordeonspieler, der auf eine Gabe der letzten vereinzelten Stadtbesucher auf ihrem Weg zum Parkplatz hofft.

Auch in der Hauptstraße singt noch ein Straßenmusiker. Was in dem Touristengetümmel vorhin gar nicht zu hören war, klingt jetzt melancholisch durch die Gassen.

Wenn man nicht mehr den Menschenmassen ausweichen muß, kann sich endlich der Blick weiten und die entzückenden Details wahrnehmen.

Wo die Gassen so eng sind, müssen sich die Bäume anpassen und flach an die Mauern schmiegen.

Überall wachsen und blühen Rosenbüsche.

Einige Sorten duften auch noch herrlich.

Auch Forsythien gibt es reichlich. Die mag ich besonders gern.

Ja, jetzt ist Obidos dann doch ganz stimmungsvoll. So macht das Schlendern Spaß.

Für Kircheninnenbesichtigung ist es zu spät. Schon geschlossen. Aber dafür ist am frühen Abend Weite und Stille, um sie in aller Ruhe von außen zu betrachten.

Mein Fazit: Obidos immer wieder gern, aber erst nach Geschäftsschluß, wenn die Reisebusse ihre Menschenmassen wieder in die Hotels zum Abendessen transportieren.

Dann wenn nur noch meine Schritte und Finleys Pfoten auf dem Pflaster zu hören sind (auch die Straßenmusiker haben längst eingepackt).

Jetzt müssen wir uns nicht mehr der Geschwindigkeit und Gangart der Menschenmasse in den Gassen anpassen, sondern können uns allein nach unserem Rhythmus richten.

Eines der Leitmotive meines Sabatjahres:

Den eigenen Rhythmus finden und spüren.

Wenn viele Menschen um mich herum sind, fällt es mir schwer im Einklang mit mir zu sein.

Um meinen eigenen Rhythmus zu fühlen und zu leben, braucht es (Frei-)raum, Weite und Stille, das wird mir immer stärker bewußt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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