Heute wird dem Wetter getrotzt und gewandert.
Eigentlich ist ja wieder Einmummelwetter. Wind. Regen. Kalt. Der Himmel voller dunkelgrauer Regenwolken. Aber heute werden wir es uns nicht gemütlich, sondern ungemütlich machen. Wir wandern den Weg, den ich mir gestern für heute vorgenommen habe. Finley schaut mich entsetzt an. Missy verzieht sich unter die Bettdecke. Sie weiß genau, ihr gelten solche Ankündigungen nicht. Ich könnte schwören, daß sie Finley noch ein triumphierendes Grinsen rübergeworfen hat, bevor sie sich in der warmen Höhle einrollt.
Den Weg habe ich auf einem Plan in Vrsar als Vorschlag für eine Radtour gesehen. Komplett ist er ca. 23 km lang. Das ist natürlich zu weit, aber ich hab schon überlegt, wie wir abkürzen können. Komm, Finley, das macht Spaß. Er schaut mich zweifelnd an. Ich bitte auch beim Universum darum, daß uns kein Regenguß oder Gewitter erreicht. Kannst Dich auf mich verlassen. Finley schaut noch zweifelnder. Aber was soll er machen. Er ist der Hund. Nicht die Katze.
Der Weg führt über stille Straßen und Schotterwege durchs Hinterland. Auf jedem Grundstück bellen Hunde und geben sich furchterregend.
Die Wege sind regennass und teils schlammig. Aber über uns bleibt es trocken. Siehste, Finley, haste nicht geglaubt. Sein Blick sagt, ich glaub es erst, wenn ich wieder auf meinem geliebten Lammfell in Balthasar liege.
Unterwegs finden wir einen niedlichen improvisierten Rastplatz mit Wasseranschluß, Blümchen und rosa Stühlchen. Bestimmt ein beliebter Ort zum Pausieren und um sich zu erfrischen auf einer hochsommerlichen Radtour. Für uns dagegen viel zu kalt und nass. Also weiter.
Ein kleines Dörfchen, ein Flugplatz und viele, viele Olivenbaumfelder unterwegs, aber kein Platz zum Einkehren. Im Sommer gibt es wohl einige Bars, die einen Abstecher vom Weg lohnen, aber jetzt ist alles geschlossen.
Der Weg führt oberhalb parallel zum Limski Kanal. Es gibt immer wieder schöne Ausblicke.
Nach ca. 2 Std. erreichen wir eine Stelle, wo es über Geröll steil hinabgeht zum Limski Kanal. Finley binde ich oben an, damit er mir nicht folgt. Viel zu gefährlich und anstrengend für den alten Hund und seine schlottrige Hüfte. Nachher vertritt und verletzt er sich noch. Und warum soll ich ihm den steilen Ab- und anschließenden Wiederaufstieg zumuten? Im Gegensatz zu mir interessiert er sich ja nicht gerade für schöne Aussicht. Aber ich lasse mir das nicht entgehen.
Beeindruckend, die Felsen. Und diese rauhe Landschaft. Von oben sieht das alles viel lieblicher aus. Hier unten fühle ich mich klein.
Links von mir sehe ich plötzlich aufrecht im Felsen einen Kraftstab. Er wartet darauf, daß ich ihn hole. Ich erinnere mich an die Trommelreise im letzten Jahr. Ganz unten am Fuß eines Berges hatte ich ihn gesehen. Ich hatte ihn in der Eifel vermutet. Auf dem weitläufigen Gelände des Seminarhauses Abrahm in Hellenthal und damals nicht gefunden, sondern nur einen symbolischen Ersatzstab.
Ok. Da sind Felsen. Da ist Wasser. Es ist rutschig. Und ich bin nicht gerade eine leichtfüßige Gemse. Kurz denke ich an meine Verantwortung für den oben angebundenen Finley, wenn mir jetzt was zustößt. Aber in jedem von uns steckt ein Abenteurer. Und ein Abenteuer will bestanden sein. Ich werde mir doch wohl meinen Kraftstab holen können. Das wäre doch gelacht! Vorsichtshalber bitte ich noch um himmlischen Beistand. Und auch eine liebe Freundin, die sich just in dem Moment per WhatsApp meldet, hält mich, nachdem sie zunächst entsetzt fragte, Du willst da doch nicht etwa hin und den holen? Doch.
Ein paar mutige Schritte, Vertrauen ins Gleichgewicht und in den sicheren Halt. Dann hab ich ihn. Er ist festgeklemmt. Bloß nicht das Gleichgewicht verlieren beim Rausziehen… Hab ihn! Und jetzt beherzt zurück. Den Kraftstab festumklammert.
Juppijuppijeah! Finley, ich komme! Naja noch einmal ausgerutscht beim Hochlaufen auf dem Geröll. Aber die Hose war eh dreckig. Und die Knie sind an Schrammen gewöhnt.
So jetzt müssen wir aber schleunigst eine Abkürzungsmöglichkeit finden. Es wird bald dunkel und der Rückweg ist noch weit. Da links, durch den Wald, könnte es passen. Wenn wir Glück haben und mich mein Orientierungssinn nicht täuscht, kommen wir auf dem anderen Teilstück des Radweges wieder raus.
Supi, hat geklappt. Aber jetzt keine Experimente mehr. Es ist schon komplett dunkel. Den Rest geht es am Rand der Zufahrtsstraße nach Vrsar entlang. Boah, wie die Autos rasen. Und warum gibt’s hier keine Straßenbeleuchtung? Bleib dicht bei mir Finley.
Jetzt noch durchs Städtchen. Dann ist es nicht mehr weit bis zum Campingplatz.
Wir sind ganz schön ko als wir bei Balthasar ankommen. Finley hat endlich wieder sein Lammfell und ich meinen Kraftstab. Das wird eine Freude, den zu bearbeiten. Ich hab ja extra Schnitzwerkzeug mitgenommen. Und Missy? Blinzelt verschlafen. War was? Außer meinem langweiligen, gemütlichen Einmummeltag?