Meine Innenstadt-3.Etage-Wohnungskatze entwickelt sich zur wild und frei herumstreunenden Freigängerkatze hier auf dem Land.
Zunächst eroberte sie nur zaghaft den riesigen Garten. Vorne zur Haustür raus, um die Hausecke und schnell zur Terrassentür wieder hineingeschlüpft. Mit pochendem kleinen Herzchen. Das war vor 5 Tagen.
Vorgestern hatte sie dann gleich zwei aufregende Begegnungen zur selben Zeit. Während hinter ihr die beiden freilaufenden Gänse Ovo und Maltine aufmarschierten, kauerte vor ihr plötzlich Kater Mogli. Und was macht die coole Stadtwohnungskatze in so einem Fall? Legt das Köpflein ganz entzückend schräg, haucht Mogli ein zuckersüßes, zartes „Miau“ zu und beschließt, das riesengroße, zeternde Federvieh hinter ihr zu ignorieren. Stattdessen tat sie so, als hätte sie gerade etwas enorm wichtiges an einem Strauch zu schnüffeln, dessen Duft ihre ganze Aufmerksamkeit fesselte, bis die beiden Gänse und auch Mogli endlich von dannen zogen und Missy sich demonstrativ noch eben mit ihrem hübschen weißen Pfötchen putzte als sei nichts Besonderes gewesen, bevor sie dann doch pfeilschnell in der sicheren Ferienwohnung verschwand.
Inzwischen hör und seh ich Missy tagsüber fast gar nicht mehr. Sie verläßt die Ferienwohnung nach dem Frühstück und einem kurzen Chillout mit Finley zielgerichtet und mit wichtiger Miene Richtung hinterer Garten, Felder und Wiesen.
Gestern war sie zum ersten Mal auch zur Abendessenszeit und bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht zurück. Ich war sehr in Sorge. Hatte sie sich vielleicht verlaufen? Saß sie irgendwo fest? War sie verletzt? Was hatte ich nur angestellt in meinem blauäugigen Vertrauen, Missy wisse schon, was sie tut! Sie ist und bleibt doch meine kleine zarte Hängebauch-Stadtwohnungskatze. Was weiß sie schon vom freien Landleben und welche Gefahren hier lauern. Missy! Ich hab gerufen, gelockt und gesucht. In Garagen, Scheunen und Hühnerställen hier auf dem Grundstück nachgesehen. Bin sogar nochmal mit dem müden alten Finley in den stockdusteren Wald gestolpert.
Oh Mann, das Leben mit einer Freigängerkatze ist ganz schön nervenaufreibend. Daran bin ich nicht gewöhnt. Ich kenne das nur so: Wohnungstür auf und Missy kommt schnurrend an und schmiegt sich an mein Bein. Oder sie hüpft mal kurz aus dem Wohnmobil und spaziert etwas herum oder döst in der Sonne – aber immer in Sichtweite. Unruhig saß ich in der Ferienwohnung, alle Türen und Fenster weit offen, alle Lichter an (zur Freude der Mücken), damit das arme Kätzchen auch ganz bestimmt wieder zu mir zurück findet.
Nach 23 Uhr kam Missy dann plötzlich cool und ziemlich groggy hereingestromert, würdigte mich – ihren überaus besorgten Menschen – keines Blickes, sondern machte sich schnurstracks über ihren Futternapf her. Sie war übersäht mit Dreck und Spinnweben. Tja, sah aus als hätte sie einen abenteuerlichen Tag gehabt…