Zeit in Costa de Lavos

Langsames Reisen. Einfach da sein.

„Eva, Du bist ja immer noch hier“ ist inzwischen ein geflügeltes Wort auf dem Stellplatz in Costa de Lavos.

Genau. Ich bin hier. Jetzt.

Einen Tag wollte ich bleiben, vielleicht zwei. Am Ende sind es 10 Tage geworden.

Hatte ich schon erwähnt, daß ich eine sehr langsame Reisende bin?

Ich treffe hier auf dem Stellplatz ständig auf Menschen, die täglich den Ort wechseln. Die 1000 km am Stück hierher gefahren sind. Zwei oder drei Wochen haben, um ganz Portugal zu durchfahren.

Das ist nicht meine Art des Reisens.

Unterwegs sein ist Freiheit. Jederzeit fahren zu können, wohin man möchte. Die Vielfalt der Eindrücke.

Aber es ist auch eine ungeheure Freiheit, einfach bleiben zu können.

Sich treiben zu lassen, anstatt angetrieben zu werden.

Muße zu haben.

Für die kleinen Dinge. Für das Zarte. Unscheinbare.

Achtsamkeit braucht Zeit.

Und Zeit ist das ganz große Geschenk dieses Sabatjahres.

Der Preis ist hoch. Gar keine Frage. Nicht nur der Verzicht eines Jahresgehalts. Aber dieses Gefühl, Zeit zu haben, ist unbezahlbar.

Ob ich das mitnehmen kann in mein Alltagsleben?

Tatsächlich wissen wir ja nie, wieviel Zeit uns im Leben bleibt. Wieviel Lebenszeit.

Für mich ist Zeit eines der zentralen Themen meines Lebens.

Es gibt ein wunderbares Lied: „Schlendern ist Luxus“. Daran denke ich hier oft. Entspannung. Zufriedenheit. Frieden. Das hängt für mich ganz stark mit Muße zusammen.

Mir fällt auf, daß das Wort „Muße“ im heutigen Alltag verschwindet.

Es ist fantastisch, die Muße zu haben, die Ausbreitung der Blumen am Strand wahrnehmen zu dürfen.

Ist das wichtiger oder unwichtiger, größer oder kleiner als eine Kathedrale? Als ein Millionengeschäft? Ein bedeutender Vertrag? Als ein politisches Ereignis oder eine sportliche Höchstleistung?

Wenn ich innehalte, entsteht der Raum und die Zeit, um die Fülle dessen, was gerade da ist wahrzunehmen. Um die vielen, vielen Leben um mich herum zu achten und zu würdigen.

Die Tage des scheinbar ereignislosen Daseins sind oft die reichsten.

Dann entfaltet sich auch die Kreativität. Eines unserer größten Geschenke im Leben. Ich glaube, Kreativität ist ein Urbedürfnis des Menschen. Zumindest eines meiner zentralen Bedürfnisse. Das mich mich in vollkommenem Einklang mit mir fühlen läßt.

Hier ist viel Zeit zum Schreiben, Malen, Schnitzen. Kreative Ideen sprudeln nur so. Der Strand von Costa de Lavos ist überreich an Anregungen.

Am Ende der Reise sind es oft diese Tage des äußeren Stillstandes, die am intensivsten in Erinnerung bleiben. Weil die Verbindung zu mir selbst, dem Unfaßbaren, das neben meinem Alltags-ich existiert, hier (er-)spürbar ist.

Und dann ist da noch Finley…

Ihm beim Träumen zuzusehen. Oder seine Freude am Strand zu genießen. Den fliegenden Sandklumpen auszuweichen. Einfach miteinander in den Dünen sitzen und aufs Meer sehen. Dafür braucht es die ruhigen Tage der Muße.

Auch hier ist Zeit ein zentraler Punkt.

Wie lange noch? Wieviel Zeit bleibt uns?

Vier enge Hundebekannte sind nicht mehr da, wenn wir heimkommen. Rusty, Sunny, Honey, Willi. Wir wollten doch noch Rustys 16. Geburtstag am Rhein nachfeiern…

Und Missy? Wunderbare Missy. Königin des Daseins. Die weiß alles über das Hier und Jetzt. Und über Muße. Eine große Lehrmeisterin.

Und auch wenn sie eine coole Reisekatze ist, genießt sie sichtlich längere Aufenthalte. Vertrautheit an einem Ort.

Ja eine Katze kann 20 werden und älter.

Aber tatsächlich wissen wir nie wieviel Zeit wir haben. Wieviel Zeit uns bleibt.

Das Leben ist jetzt. Und um das Jetzt bewußt spüren und ehren zu können, müssen wir drei manchmal ein paar Tage länger bleiben als geplant.

Das ist der ungeheure Luxus meines Sabatjahres.

 

 

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert