Sehenswerte Stadt, Festung, Kloster, Parkanlagen, gute Gastronomie – was will man mehr…
Heute gehen wir mal nicht Richtung Avignon, sondern über die andere Brücke nach Villeneuve-lez-Avignon.
Der Ort ist viel kleiner. Aber nicht weniger interessant. Seine Geschichte ist mit der Papstzeit von Avignon verbunden. Viele Kardinäle hatten sich hier niedergelassen. Vom Papstpalst führte damals die Brücke über beide Rhonearme zu einer Festung, von der heute nur noch der Turm Philipp le Belle erhalten ist. Von hier wurde der Zugang zur Brücke und damit nach Avignon kontrolliert.
Von dort geht es den Hügel hinauf ins Städtchen.
Wir gehen aber vorher noch einen kleinen Schlenker durch den Colline de les Morgues. Ein ca. 8 ha großes parkähnliches Gelände mit historisch interessanten Ausgrabungen auf einem Hügel oberhalb der Stadt, von dem man einen herrlichen Blick hat.
Am Fuße des Hügels gibt es einen kleinen botanischen Garten. Wie schön, die ersten Frühlingsblumen zu sehen.
Und knospende Bäume.
Kakteen, Palmen, Sukkulenten, Symbole des Südens.
Mich rührt, die Kraft und Zartheit, der Mohnblumen, die sich hervortasten und öffnen wollen.
Ich genieße diese lebendige Farbigkeit. Die intensive Buntheit. Mir fehlt das im Winter.
Wie überall steht auch hier ein Schild „Hunde verboten“. Ich habe noch nie so viele derartige Schilder gesehen wie in Frankreich und noch nie so viele Menschen, die sie unbekümmert ignorieren und mir fröhlich versichern, daß diese Schilder keinerlei Bedeutung haben. Ich hab für mich beschlossen, daß diese Schilder besagen, daß unangeleinte Hunde verboten sind, weil auf den Schildern keine Leine zu sehen ist. Und da Finley ja inzwischen wegen seines Alters fast immer angeleint ist, ist bestimmt alles ok…
Aber auch unangeleinte Hunde mit und ohne Halter begegnen uns wieder en masse. Einige stromern gemächlich durch die Stadt. Manche kommen nur kurz von ihrem Grundstück
herüber, um Finley zu begrüßen und gehen dann wieder zurück. Ich mag das sehr.
Der Stadtkern hat nur eine Hauptstraße mit den Geschäften und einige Gassen mit Wohnhäusern. Typisch Kleinstadt eben.
Die Besonderheit liegt in der Größe der Kirchen und Klöster. Die Abtei ist ein riesiger Komplex. Wie so vieles ist sie im Januar geschlossen. Wegen Finley wäre die Innenbesichtigung für mich eh nicht möglich. Aber die Innenhöfe sind teilweise zugänglich.
Von einem Olivenhain
oberhalb der Stadt hat man auch einen tollen Blick auf den gesamten Komplex.
Dort oben ist auch die große beeindruckende Festung St. Andre. Ich hatte sie schon auf dem Spaziergang von der Ile de la Barthelasse aus am gegenüberliegenden Ufer thronen sehen und wollte unbedingt dort hinauf und die Festung umrunden.
Tja, Finley, was willste machen, wenn die Eva sich sowas in den Kopf setzt. Kannste nur mitlaufen. Aber warte nur, Dein Highlight des Tages kommt gleich.
Soviel Stadtbesichtigung macht hungrig. Ich finde ein kleines gemütliches Restaurant, daß einen günstigen plat du jour für 11 € anbietet. Der freundliche Kellner versucht mir zu erklären, was es gibt. Ich verstehe ihn nicht, also beschränkt er sich darauf, mir zu versichern, daß es gut und lecker ist. Prima. Was dann folgt übertrifft meine Erwartungen. Das Essen ist hervorragend. Roulade mit Gewürzen der Provence, Reis mit perfekt gewürzter Tomatensauce und zweierlei Gemüse. Im Preis des plat du jour ist ein Glas Wein enthalten. Da ich keinen Wein trinke, möchte der Kellner mir unbedingt ein anderes Getränk anbieten. Wasser zählt nicht. Ich nehme das Angebot eines Café nach dem Essen gerne an. Die Bedienung ist so zuvorkommend, daß der Kellner, während ich schon fast mit dem Essen fertig bin, im Vorübergehen bemerkt, daß ich zwar noch Reis, aber keine Soße mehr habe. Flott läuft er in die Küche und ordert ein Schälchen Soße mit Oliven und schimpft den Koch etwas, daß er mir nicht ausreichend gegeben habe. Natürlich ist das Schälchen Soße viel zu viel für den letzten Rest Reis. Schon läuft der Kellner los und holt Brot zum Eintunken. Er hat recht, es wäre zu schade um die Soße. Also das Essen war toll, die Bedienung überaus aufmerksam, aber das absolute Highlight: Finley wird nicht nur umgehend Wasser serviert, sondern auch ein eigener Teller mit kleingeschnittener Roulade. Finley ist im ersten Moment so verblüfft, genau wie ich, daß er tatsächlich eine Sekunde vergißt sofort über den Teller herzufallen. Aber dann…
Finley verfolgt daraufhin jede weitere Bewegung des Kellners. Er läßt ihn nicht mehr aus den Augen und sein Blick sagt „bitte adoptier mich“. Der Kellner kann nicht widerstehen und es gibt tatsächlich noch einen Nachschlag für Finley. Puh, diese hundeverrückten Franzosen! Finley wird das Restaurant für immer in guter Erinnerung bleiben. Mir auch. Und am Ende beträgt die Gesamtrechnung tatsächlich nur 11 €. Da sage mal jemand, man könne in Frankreich nicht gleichzeitig gut und günstig essen. Ich bin begeistert.
Nach dem guten Essen machen wir noch mal einen Verdauungsspaziergang hoch zur Festung, die jetzt angeleuchtet ist.
Satt und zufrieden machen wir uns durch die abendlichen Gassen auf den Heimweg zum Campingplatz.
Unterwegs kommen wir noch an einer Patisserie vorbei. Schon wieder diese edlen verführerischen Kunstwerke. Ein klitzekleiner Nachtisch für heute Abend? Ich kann nicht widerstehen. Und weil ich mich auch nicht entscheiden kann, bringe ich eben
Jochen vom Campingplatz, der total hilfsbereit ist und immer ein offenes Ohr für meine Fragen hat, auch ein Kunstwerk mit.
Danke für diesen Ausflug in den Frühling, liebe Eva!
Es ist wirklich schön, dich auf diesem Weg ein wenig begleiten zu können.
Herzliche Grüße
Chris